Künstliche Intelligenz (KI) verändert nicht nur Wirtschaft und Verwaltung. Sie revolutioniert auch die Arbeitswelt. Algorithmen bewerten Bewerber:innen, analysieren Leistungsdaten und automatisieren Entscheidungen, die bislang ausschließlich Menschen vorbehalten waren.
Doch diese Entwicklung wirft tiefgreifende arbeitsrechtliche und ethische Fragen auf: Darf KI über Einstellungen, Beförderungen oder Kündigungen mitentscheiden? Wie lässt sich der Einsatz solcher Systeme mit dem Datenschutz, dem Mitbestimmungsrecht und der Menschenwürde vereinbaren?
KI im modernen Arbeitsumfeld
KI-Systeme halten in nahezu allen Phasen des Arbeitsverhältnisses Einzug. KI im Arbeitsverhältnis kann die Effizienz steigern, sie aber darf nicht zu einem Instrument der Kontrolle oder Diskriminierung werden.
Bewerbungsverfahren
Viele Unternehmen nutzen bereits KI-gestützte Tools zur Vorauswahl von Bewerber:innen. Diese Systeme werten Lebensläufe, Sprachmuster oder Online-Profile aus, um „passende“ Kandidat:innen zu identifizieren. Der Vorteil liegt auf der Hand: Zeitersparnis und objektivere Auswahlprozesse.
Doch die Risiken sind erheblich. Wenn Algorithmen auf historischen Daten basieren, können sie bestehende Diskriminierungen fortschreiben, etwa durch geschlechtsspezifische oder ethnische Verzerrungen. I. S. d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bleibt der Arbeitgeber verantwortlich für jede diskriminierende Entscheidung, auch wenn sie auf KI-Empfehlungen beruht (siehe unten).
Personalsteuerung und Leistungsüberwachung
Im laufenden Arbeitsverhältnis werden zunehmend KI-Systeme eingesetzt, um Produktivität zu messen oder Arbeitszeiten zu planen. Beispiele sind automatisierte Auswertungen von E-Mails, Tastaturaktivitäten oder GPS-Daten. Solche Systeme können wertvolle Analysen liefern, etwa zur Prozessoptimierung oder Arbeitsbelastung, doch sie berühren zentrale Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten.
Die permanente algorithmische Beobachtung kann schnell zur unzulässigen Verhaltens- oder Leistungskontrolle werden. Nach deutschem Recht gilt: Eine Überwachung ist nur zulässig, wenn sie erforderlich, verhältnismäßig und transparent erfolgt (§ 26 BDSG i. V. m. Art. 88 DSGVO). Zu berücksichtigen ist auch das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten (siehe unten), soweit solche im Unternehmen vorhanden sind.
Datenschutzrechtliche Grenzen
Der Einsatz von KI im Arbeitsumfeld ist stets eine Verarbeitung personenbezogener Daten und unterliegt daher der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Rechtsgrundlage
Nach § 26 Abs. 1 BDSG dürfen Beschäftigtendaten nur verarbeitet werden, wenn dies zur Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Für weitergehende KI-Einsätze, z. B. Prognosen über Krankheitsrisiken oder Leistungsprofile, fehlt meist eine eindeutige Rechtsgrundlage. Eine freiwillige Einwilligung ist im Arbeitsverhältnis nur schwer wirksam, da ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Weitere Informationen zu den Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung finden Sie hier.
Transparenzpflicht und Informationsrecht
Arbeitnehmer:innen müssen nachvollziehen können, wann und wozu KI eingesetzt wird. Gemäß Art. 13 und 14 DSGVO sind Arbeitgeber verpflichtet, über die Art, den Zweck und die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung aufzuklären. Dies gilt insbesondere dann, wenn KI-Systeme in Entscheidungsprozesse eingebunden sind, etwa bei Leistungsbewertungen oder Beförderungsvorschlägen.
Automatisierte Entscheidungen (Art. 22 DSGVO)
Entscheidungen, die rechtliche Wirkung entfalten oder Arbeitnehmer:innen erheblich beeinträchtigen, z. B. Beförderung, Bonus, Kündigung, dürfen nicht ausschließlich automatisiert erfolgen. Es muss eine menschliche Überprüfung möglich sein. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Betroffene:
Diese Vorschrift schützt nicht nur vor Fehlentscheidungen, sondern auch vor dem Verlust menschlicher Verantwortung im Arbeitsprozess.
Diskriminierung und ethische Verantwortung
KI kann objektive Entscheidungen ermöglichen oder systematisch Vorurteile reproduzieren. Das Risiko von „algorithmic bias“ ist besonders hoch, wenn Trainingsdaten menschliche Fehler enthalten. So kann ein System, das frühere Einstellungsentscheidungen auswertet, unbeabsichtigt bestimmte Gruppen benachteiligen. Rechtlich ist klar: Auch wenn der Algorithmus entscheidet, haftet der Arbeitgeber.
Nach § 15 AGG besteht ein Entschädigungsanspruch, wenn Bewerber:innen oder Beschäftigte durch eine automatisierte Auswahl diskriminiert werden. Ethisch gesehen steht die Arbeitswelt daher vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss KI nicht nur effizient, sondern auch fair und menschenwürdig gestalten.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Der Einsatz von KI-Systemen unterliegt in Deutschland regelmäßig der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Das gilt insbesondere dann, wenn technische Einrichtungen geeignet sind, Verhalten oder Leistung von Arbeitnehmer:innen zu überwachen. Der Betriebsrat hat:
Das 2021 geänderte Betriebsverfassungsgesetz stärkt ausdrücklich die Rolle des Betriebsrats beim Thema KI (§ 80 Abs. 3 BetrVG). Unternehmen sollten daher frühzeitig eine transparente Kommunikation mit der Arbeitnehmervertretung suchen, um Konflikte zu vermeiden.
KI, Arbeitszeit und Überwachung
Wie bereits oben erwähnt, ist ein weiteres Spannungsfeld die Arbeitszeiterfassung und -überwachung durch KI.Viele Tools analysieren Arbeitsmuster, Pausenzeiten oder Teamkommunikation, um Produktivität zu messen. Die Grenzen zur unzulässigen Überwachung sind fließend.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, C-55/18, abrufbar unter curia.europa.eu) sind Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Wird dafür KI eingesetzt, muss sie datenschutzkonform ausgestaltet sein. Das bedeutet insbesondere:
EU AI Act im Arbeitskontext (Stand Oktober 2025)
Der im Jahr 2024 in Kraft getretene EU AI Act (KI-Verordnung) ordnet KI-Systeme nach ihrem Risiko ein. KI-Anwendungen, die im Bereich Beschäftigung, Personalmanagement und Arbeitnehmerbewertung eingesetzt werden, gelten als „Hochrisiko-KI-Systeme“, vgl. Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anhang III (Seite 127 ff.). Für Arbeitgeber bedeutet das:
Verstöße gegen diese Pflichten können künftig mit Bußgeldern bis zu 7 % des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden. Damit rückt das Arbeitsrecht in den Mittelpunkt der europäischen KI-Regulierung.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Unternehmen sollten den KI-Einsatz im Personalwesen strategisch und rechtssicher gestalten.Wichtige Schritte sind:
KI bietet enorme Chancen, Personalprozesse effizienter, objektiver und moderner zu gestalten. Doch sie darf nicht zur „Black Box“ im Arbeitsverhältnis werden. Datenschutz, Mitbestimmung und ethische Verantwortung sind keine Innovationshemmnisse, sondern die Grundlage für nachhaltige Digitalisierung. KI sollte den Menschen unterstützen, nicht ersetzen. Unternehmen, die Transparenz, Fairness und Datenschutz zur Grundlage ihrer KI-Strategie machen, stärken das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden und reduzieren zugleich ihr Haftungsrisiko.
Unsere Leistungen im Bereich KI und Arbeitsrecht